Montag, 28. Januar 2008

Das Über-Ich als Chance

Man findet ja manchmal, dass Lothar Matthäus jetzt verdammt noch mal endlich einen Job als Bundesliga-Trainer bekommen muss. Allein schon, weil es so unsagbar NERVT, wenn sich Lothar Matthäus mal wieder mit der Penetranz aller Welten bei irgendeinem x-beliebigen trainerlosen Klub als 1a- oder 1b-Lösung anbiedert. Man kann das ja langsam wirklich nicht mehr hören. Lothar Matthäus braucht jetzt sofort einen Job. Er hätte dann einen, müsste sich nicht mehr so krampfhaft um einen bemühen, und man müsste dann auch endlich nicht mehr lesen, dass sich Lothar Matthäus wirklich ALLES vorstellen kann. Selbst einen Job im Iran. Der ganze Ärger über derart flexible Geister könnte sich dann endlich allein auf Rafael van der Vaart konzentrieren.

In einer besseren Welt wäre Lothar Matthäus also Bundesligatrainer, und das hätte nicht nur den Vorteil, dass diese ewige öffentliche Bewerbungstour ein Ende hätte, nein, man wüsste dann auch endlich ein für alle Mal, ob Lothar Matthäus nun zum Trainer taugt oder nicht. Die bisherigen durchaus mutigen Stationen seiner Karriere haben darüber ja leider keinen endgültigen Aufschluss gegeben, und daher wird es in einem fort diskutiert: Ist bzw. wäre Lothar Matthäus ein guter Trainer oder ist bzw. wäre Lothar Matthäus kein guter Trainer? Mit einem Job in der Bundesliga wäre diese Frage endlich und endgültig geklärt - und Lothar Matthäus fortan der anerkanntermaßen erfolgreiche Trainer Lothar Matthäus oder eben: nur Lothar Matthäus.

Der Deutsche Fußballbund ist daher uneingeschränkt zu preisen für seine umsichtige Entscheidung, Lothar Matthäus nun mit Hochdruck eine ordnungsgemäße Trainerlizenz zu verschaffen. Per Crashkurs mit Erich Rutemöller. Es wird dem Selbstverständnis des Lothar Matthäus schmeicheln, dass dieser Kurs exklusiv, also nur für ihn, für Lothar Matthäus ganz allein veranstaltet wird. Und es wird Lothar Matthäus überdies sehr freuen zu hören, dass den Curriculum Rutemöller bisher ausnahmslos alle Kandidaten problemlos bewältigt haben. Alle bestanden, Durchfallquote: null Prozent. Lothar Matthäus wird nun also der letzte Absolvent dieses High-End-Kurses für verdiente Ex-Heroen sein, künftig wünscht sich der DFB dann doch ein etwas anderes Level.

Nun mag man sich natürlich den Kopf darüber zerbrechen, was für Lothar Matthäus en Detail auf dem Lehrplan stehen könnte. So alternative Spaßkurse, individuell auf Lothar Matthäus zugeschnitten. Das wäre ja wirklich sehr reizvoll. Denn: Was sollte ein Erich Rutemöller einem Lothar Matthäus schon beibringen können? Also auf fachlicher Ebene. Ihm, dem Rekordnationalspieler, dem Weltmeister, dem Leitwolf. Lothar Matthäus hat alles gewonnen, Lothar Matthäus hat alles erlebt, Lothar Matthäus ist ein ausgewiesener Fußball-Fachmann, was zur Hölle soll es da noch zu lernen geben für Lothar Matthäus? Der Gedanke an alternative, direkt auf Lothar Matthäus zugeschnittene Lerninhalte ist so nahe liegend wie verlockend.

Lassen wir ihn also ruhig einmal zu.

Im Mittelpunkt der Ausbildung stehen zwei zentrale Kurse: "Fettnäpfchen I: Entwicklung und Konsequenzen" sowie "Fettnäpfchen II: Erkennung und Vermeidung", die als eng an der Praxis orientierte Pflichtmodule mit je zehn Wochenstunden auf dem Lehrplan stehen. Flankierend dazu gibt es drei Wahlpflichtbereiche, aus denen je zwei Module zu je zwei Wochenstunden zu belegen sind. Im linguistischen Zweig besteht die Wahl zwischen "Kompetenzerwerb durch Hochdeutsch", "Sprechen in der ersten Person Singular" und "English for runaways".

Die medientheoretische Ausbildung befasst sich mit den Problemfeldern "Image: Alles. Nichts. Oder?", "Privatsphäre und Öffentlichkeit im Wandel der Zeit" sowie "Neue Techniken der dezenten medialen Selbstdarstellung". Der Exkurs in die Psychologie erfolgt durch die Module "Selbstreflexion: Wege und Möglichkeiten" und "Selbstkompetenz als Schlüsselqualifikation" sowie die weiterführenden Aufbau-Module "Besonnenheit als Waffe" und "Das Über-Ich als Chance". Der Stoff wird anhand zahlreicher Fallbeispiele im klassischen Frontalunterricht vermittelt, eine Überprüfung des Lernerfolgs durch Referate, Hausarbeiten und Klausuren ist nicht vorgesehen.

So könnte das aussehen. Aber während man sich das so überlegt, manifestiert sich unaufhaltsam dieser eine traurige Verdacht: Dem Jahrhundert-Fußballer Lothar Matthäus mangelt es nicht an Sachkompetenz. Der Schuh drückt anderswo, die sog. Humankompetenz macht Sorgen. Und die wird bei allem Respekt auch ein Erich Rutemöller nicht ausreichend vermitteln können. Darüber allerdings ein launiges Blog zu schreiben, verbietet eigentlich der Anstand. Daher vielleicht nur ein einziger ernst gemeinter Vorschlag: Erich Rutemöller möge doch bitte Rudi Gutendorf als Gast-Dozenten laden. Der hat in den vergangenen 184 Jahren beachtliche 23 Fantastilliarden Klubs und Nationen trainiert und dabei zehn Mal mehr Länder bereist als es überhaupt gibt. Rudi Gutendorf, ein Weltenbummler, der sehr fern der Heimat sehr, sehr glücklich wurde. Und in all dieser Zeit hat man hierzulande kaum mal etwas gehört von Rudi Gutendorf. Es ist vielleicht dies der Weg, der Lothar Matthäus zu wünschen ist. Und den trainerlosen Bundesliga-Klubs gleich mit.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Bin heiß, muss zocken

Um gleich auf den Punkt zu kommen, die Sache ist die: Ich fange wieder mit Tischtennis an. Kein Scheiß, ich hab mir das gut überlegt. Sicher, ich bin jetzt fünf Jahre clean, also eigentlich über den Berg, aber … ich WILL es jetzt einfach wieder. Und zur Sicherheit schreibe ich das auch gleich auf, denn wenn man etwas erstmal in die Welt hinausposaunt hat, gibt es kaum mehr ein Zurück. Tischtennis also. Jetzt ist es raus. Es wird wieder gezockt.

Die Schuld trägt Emrah. Bester Kumpel und früherer Doppelpartner. Drei Jahre war er sauber, dann der Rückfall: "Ich brauche einfach den Mief der Halle", hat er gesagt. "Schwachsinn! Sei froh, dass du da raus bist", entgegnete ich. Er blieb stur. Ich hab ihn verhöhnt, aber machen lassen. Ist alt genug. Seitdem ist er wieder voll drin: Training, Ligaspiele, Turniere, das volle Programm. "Wenn er meint", dachte ich, "ist ja sein Problem!" Und neulich erzählte er also von diesem Spiel. Der Gegner: alt, dick, abgewichst. Emrah: jung, fit, chancenlos. So weit, so normal. Ist ja so im Tischtennis. Es gibt drei Regeln: 1.) Man hat zwei Aufschläge, 2.) gespielt wird bis elf und 3.) gegen abgewichste Alte hat man keine Chance. So sieht's aus. Manchmal sind sie um die 90, haben Arthrose - und schicken einen nur zum Ballholen. Ist mir mal passiert. Danach hab ich aufgehört. Tischtennis ist ein Spiel und kein Sport.

Entscheidend für meinen Rückfall war nicht die Klatsche an sich, sondern die Art, wie Emrah sie hinnahm. Nämlich gar nicht. Er ließ alles raus: Nur Glück habe der andere, nichts könne der, nichts!, rein gar nichts, und überhaupt, wenn er, Emrah, mal wenigstens z-w-a-n-z-i-g Prozent spielen würde, dann gäbe es aber so was von einer Reise für den Alten etc. Was man halt so schimpft beim Tischtennis, wenn man Grundregel Nr. 3 nicht einsehen will. Emrah en Rage. Alles wie früher. Da hatte er mich. Sofort. Spielend. Ich war wieder heiß. Genau das brauche ich wieder: Die Wut auf den Gegner, den Hass auf das Spiel, dieses unsägliche Geschimpfe, diesen ganzen verdammten Frust. Das kann nämlich Spaß machen. Eine Sucht ist deshalb eine Sucht, weil selbst bei längerer Abstinenz ein minimales Anfixen ausreicht, sofort wieder rückfällig zu werden. Tischtennis ist eine Sucht. Und Emrah hat mich wieder angefixt.

Ich habe dann also gleich mal die verstaubte Kelle aus dem Karton gekramt. Lag gut in der Hand, ganz so wie früher. Wahnsinns-Gefühl. Kurz vor dem Spiegel aufgestellt und ein bisschen rumgehampelt. Sieht gut aus, es geht noch! Keine fünf Minuten später sitze ich vor dem Rechner, schoeler-micke.de, eine frische Kelle muss her jetzt! Welches Holz? Welche Beläge? Aussuchen jetzt! Soso ... den Glasnost von Nittaku gibt's also nicht mehr… Aber was soll's, war eh immer viel zu schnell abgespielt, das Ding. … Aber schau an: Den Coppa gibt's noch, auch den Tenero - allerdings nicht mehr von Banda, neuerdings von Donic, haben sich wohl aufgekauft. Aber egal, Donic war eh cooler. Guter Belag, der Tenero. Doch jetzt braucht's was Neues. Kelle! Jetzt!

Rückhand ist klar, Butterfly Sriver FX 2,1 in Schwarz, da gibt's keine Experimente. "Der spinfreudige Klassiker für alle Tempo orientierten Offensivspieler, der mit seiner variantenreichen Dynamik neben Druck auch viel Sicherheit bietet", steht im Waschzettel. In keiner anderen Sportart gibt es so formschöne Produktbeschreibungen wie im Tischtennis. Sriver FX. Im Warenkorb. Das war leicht. Aber die Vorhand? Emrah sagt, ich brauche was mit ordentlich Bums, "du weißt schon, größerer Ball, demnächst Frischklebeverbot und so. Da muss es knallen!" Frischklebeverbot! Es ist ein Skandal. Frischkleben war meine Religion. Vor jedem Spiel, halbe Stunde Presse, dann hat's geknallt. Verboten! Dabei roch es immer so gut. Gefährliche Dämpfe, sagen sie. Tse! Diese Spießer von der ITTF. Wo bleibt der Spaß? Naja.

Ordentlich Bums also. Ich mache mich ein bisschen schlau im TT-Pur-Forum und ein paar Threads später schwanke ich zwischen dem Butterfly Bryce Speed FX und dem Donic Desto F3 BigSlam. Wahnsinn, solche Namen. Das ist Musik, man! Der Bryce verspricht mir "dank der bewährten High-Tension-Technologie maximalen Spin für eine direkte Tempo orientierte Spielweise und den kompromisslosen Punktgewinn." Kompromisslos. Ich. Hehe. Der BigSlam dagegen sagt: "Jetzt knallt's richtig! … Frischklebe-Sound fest eingebaut … der lauteste Desto, den Donic je gemacht hat … Klingt wie in Zeiten heftigsten Frischklebens …" Mein Herz rast! Kompromisslos oder laut? Die Königsfrage!

Ich entscheide mich für kompromisslos in Rot mit maximalem Schwamm. So. Jetzt noch das Holz. Sollte von Donic sein. Schön oldschool. Am besten was mit Persson oder Waldner, schadet ja nicht, ein bisschen Genie in der Hinterhand zu haben. Oha, das Persson POWERSPEED, das kenn ich noch von früher. Im Klappentext wird gewarnt: "Nur für Offensiv-Spieler! Sehr schnell, sehr lebendig! Erfordert regelmäßiges Training." Will ich. In Konkav. Bin sehr aufgeregt, die Kelle ist bestellt. Brauche nur noch einen Verein jetzt. Aber den such ich mir, bis das Ding da ist. Bis dahin heißt es warten. Und vielleicht schon mal ein paar alte Waldner-Videos anschauen.