Montag, 31. März 2008

Rot-Weiß-Rot for Life

Ist ja schon wichtig, WO und WIE man sich so ein Fußballspiel anschaut. Hätte ich mir letzten Mittwoch z.B. zuhause auf der Couch rumlümmelnd Jogis Jungs in der Schweiz angeschaut, ich hätte ein souveränes 4:0 gesehen, danach in der Zusammenfassung noch das 3:4 nach 3:0 der Ösis gegen Holland verfolgt - und wäre dann, die Ösis aufs Höchste verhöhnend, mit DFB-Trikot schlafen gegangen, um selig vom EM-Triumph zu träumen.Ich war allerdings nicht zuhause letzten Mittwoch. Und ich hab mir auch nicht Jogis Jungs angeschaut. Hatte Urlaub, war in Wien, Ernst-Happel-Stadion. Hab mir die Ösis gegen Holland angeschaut, und umgekehrt vom Spiel der Deutschen nur via Internet erfahren. Und … nun ja … irgendwas ist passiert mit mir an diesem Abend. Denn mein Herz schlägt jetzt für die Ösis. Ich will das gern erklären.

Absoluter Wahnsinn, wie Hickes Jungs die (okay, zugegeben: völlig lustlosen) Holländer da zunächst frisch gemacht haben. Drei Tore in der ersten halben Stunde. Die Ösis. Gegen Holland. Spritzig, giftig, gewitzt, gefährlich waren sie, die Ösis. So wie Holland, normalerweise. Nach gut einer Stunde fiel ihnen jedoch siedend heiß ein, dass sie ja die Ösis sind und nicht die Holländer, und deshalb spielten die Ösis die letzte halbe Stunde dann so wie Ösis nun mal spielen, normalerweise: Sie stumperten sinnlos herum; brachen völlig ein; und vergeigten das Ding noch. Aus 3:0 mach 3:4. Wahnsinn!

Solch ein Team berührt mein Herz. Und solche Zuschauer auch. Nahmen es relativ gelassen hin. Sind ja ohnehin einiges gewohnt. Eine 1:0-Pleite gegen die Färöer zum Beispiel. Oder eine 9:0-Packung in Spanien, die einer der Spieler bei Halbzeitstand von 5:0 noch trocken mit den Worten kommentierte, dass man hier wohl nicht mehr HOCH gewinnen werde. Man ist entspannt in Österreich; hat alles erlebt; erwartet das Unerwartete. Ein 7:0-Sieg des Tabellenzweiten Rapid beim Tabellenführer Red Bull? Kann passieren in Österreich. Was soll einen da jetzt so ein 3:4 gegen Holland verwirren? Meine neu entflammte Zuneigung steigerte sich noch. Auf der Pressekonferenz. Teamchef Hickersberger begann die nämlich mit einem zehnminütigen Monolog über das Wetter. Erklärte dann, dass sich seine Jungs ein Spiel noch nicht über 90 Minuten einteilen können. Vom Kopf her. Und beendete die Fragerunde dann mit folgendem Satz: "Das war jetzt die letzte Frage, denn ich habe auch noch eine Frage an Sie: Kann mir einer von Ihnen sagen, was Vermögenszuwachssteuer auf Englisch heißt? Nein? Schweigen im Walde?" Hicke erklärte dann noch gute zehn Minuten, warum er das wissen wolle - und ging. Müsste Löw mal bringen, so was.

Aber nicht nur Team und Trainer sind höchst lässig. Auch die Fans. Haben z.B. eine Initiative gegründet mit dem Namen "Österreich zeigt Rückgrat", die die freiwillige Nicht-Teilnahme Österreichs an der EM 2008 zum Ziel hat, da das grausame Gegurke das fußballästhetische Empfinden der übrigen Teilnehmer verletzen könnte. Und dann gibt es zur EM sogar noch T-Shirts, die wirklich sehr viel cooler sind als die bei uns damals. Beim Ösi steht nämlich nicht "Zu Gast bei Freunden" drauf, sondern "Zu Gast bei Verlierern". Das Spiel, das Team, der Trainer, die Fans, der Schmäh, das gesamte Drumherum – eine charmante Melange, die mein Herz erweicht hat. Ich bin jetzt Ösi-Fan. Und als solcher fand ich das (nicht gesehene) 4:0 der Deutschen in der Schweiz einfach nur schrecklich langweilig und uninspiriert. Vier Null. Klose, Gomez, Gomez, Podolski. Pfff. Nur Stürmertore. Wahrscheinlich allesamt mit Brachialgewalt erzwungen. Oder durch schweizerische Katastrophen-Fehler erduselt. Und dann routiniert verwaltet. Pah, wie langweilig. Dann doch lieber den Ösi. Der ist charmant. Erfolglos zwar, aber charmant.

PS: Ich glaube übrigens, dass die Ösis bisher nur bluffen. Sich gefällig im Understatement suhlen. Und dann bei der EM den obligatorischen dritten Platz des Gastgebers holen ... Aber vielleicht hat mir in Wien auch einfach nur irgendwer was Wildes in den Kaffee gekippt.