Montag, 22. September 2008

Fan-Führerschein

Um es mal mit Harald Schmidt zu sagen: Haben Sie es gelesen? [Pause] Heute Morgen: SO!! GROSS!! [ausfallendes Arm-Rudern] in der Zeitung: Die Klinsi-Katastrophe! Kahnlos! Zahnlos! Planlos! [Pause] Fans fordern: Der Titan muss zurück! [Pause, dann: Beifall] Über sechzig Prozent der Bild-Leser fordern heute Morgen also die Rückkehr von Oliver Kahn ins Tor des FC Bayern München. Um neun Uhr sieben waren das exakt 55.139 Meinungen, meine doppelt abgegebene Stimme (einmal Pro, einmal Contra) bereits mit eingerechnet.

Ich möchte daher auch etwas fordern: und zwar die sofortige, flächendeckende Einführung eines einheitlichen, DIN genormten, TÜV geprüften, vom DFB entwickelten und von Angela Merkel und Franz Beckenbauer höchstpersönlich ratifizierten Fan-Führerscheins für alle Experten. Denn ich brauche jetzt endlich mal Ordnung in diesem wie wild vor sich hinwuchernden Meinungs-Dschungel. Da blickt doch langsam niemand mehr durch. Vor paar Wochen noch hieß es: "Rensing für Deutschland!", jetzt hingegen: "Rensing auf die Bayern-Bank!" Was? Denn? Nun?

Jeder hat ja seine Meinung, klar, und heute ist die so und morgen wieder ganz anders, und immer wird sie ganz laut kundgetan, denn immer ist sie ja die einzig richtige, und genau das muss jetzt ein Ende haben. Infoflut goes Meinungsterror und da braucht es jetzt endlich mal bisschen Orientierung. Den Fan-Führschein. Ich stelle mir das so vor: Alle Fans müssen sich einer anspruchsvollen theoretischen Prüfung unterziehen, die der DFB zuvor ohne Einbeziehung von Erich Rutemöller und sonstiger Schergen entwickelt hat. Die Prüfung erfolgt durch einen schriftlichen Fragebogen im Multiple-Choice-Verfahren. Im Anschluss an die Klausuren erhält jeder Fan eine Fan-Führerschein-Nummer (kurz: FFN), die ihn als A-, B-, C-, D-, E- oder F-Fan ausweist, wobei der A-Fan automatisch auf einer Stufe mit Sepp Herberger steht, während der F-Fan stets einfach nur schwarz-rot-geil ist.

Bei allen Meinungsäußerungen und Abstimmungen im Internet ist stets die FFN einzugeben. Auf diese Weise können die eingereichten Meinungen vor der Auswertung (wie in der Markt- und Meinungsforschung ohnehin üblich) angemessen gewichtet werden. Auch bei handelsüblichen Otto-Normal-Kommentaren ist neben dem Benutzernamen stets die FFN anzugeben, sämtliche Kommentare können gefiltert werden, so dass Diskussionen parallel und ganz bequem auf mehreren Ebenen nebeneinander her verlaufen können. Selbstverständlich können sich die Fans ähnlich wie im Judo oder Karate kategorieweise nach oben arbeiten. Spezielle Lernmodule des DFB bereiten kompetent auf die weiteren Prüfungen vor. Sich ewig im Kreis drehende Diskussionen, zum Beispiel um die nähere Zukunft des Lukas Podolski, würden somit endlich zu einem fruchtbaren und validen Ergebnis gelangen. Auch wüsste man auf diese Weise, ob Oliver Kahn wirklich zurückkehren sollte. So kann man da ja leider nur spekulieren.

Sollte die Einführung des Fan-Führerscheins den gewünschten Erfolg bringen, ließe sich im Rahmen eines Franchise-Vertrages womöglich auch im Ausland noch ordentlich abkassieren. Offenbar hat ja zum Beispiel Italien dasselbe Problem. Dort galt Milan-Coach Carlo Ancelotti kürzlich noch als nicht mehr tragbar. Nun hat er im UEFA-Pokal 3:1 gegen Zürich und in der Liga 4:1 gegen Lazio Rom gewonnen. Er gilt nun wieder als sehr, sehr guter Trainer. Ich habe genug davon.