Es wird ja fürchterlich viel diskutiert gerade, über den AC Mailand und David Beckham, und alle dreschen und trashen sie jetzt munter drauf, zu Altherren, zu Show, zu Disney wäre dieses Milan, doch aus all dieser Häme spricht zuallererst ja mal eines: das tiefe, unsagbare Leid, das man durch Milan einmal erfahren hat. Jeder normale Fußballfan ist ja irgendwann in seiner Karriere mal aufs Schlimmste misshandelt worden von Milan, da hat ja jeder sein ganz privates unverdientes, unnötiges und aberwitziges Waterloo erlebt, Torschütze wahrscheinlich Inzaghi, Pirlo, oder: so richtig eklig: Ambrosini in der Nachspielzeit und aus dem Abseits heraus.
Drum verabscheut also jeder normal denkende und an das Gute auf der Fußballwelt glaubende Fan die rot-schwarzen Zyniker aus Mailand, und so spaßig das derzeit auch sein mag: Ich finde, man sollte da gewaltig umdenken und allein schon aus Rücksicht auf das eigene künftige Glück und Wohlbefinden ganz pragmatisch rangehen: Man sollte Milan mögen. Ich habe das ausprobiert. Es geht. Jahrelang habe auch ich mich schwarz geärgert über Milan. Immer, wirklich immer, habe ich in der Champions League zum Gegner gehalten. Und wenn es gegen Chelsea gewesen wäre. Doch immer, wirklich fast immer, war ich am Ende traurig und erschüttert und zutiefst verletzt.
Ich hatte irgendwann einfach genug davon. Von diesem Schmerz, dieser Wut, dieser Qual. Drum habe ich mich mit der Realität arrangiert. Ich mag Milan jetzt. Und hat man den ersten Ekel, dieses Gefühl sich schmutzig zu fühlen, diesen unbändigen Drang duschen zu wollen, erstmal überwunden, dann ist das wirklich super angenehm und relaxed, Milan zu mögen. Es ist ein Leben frei von Angst vor der KO-Runde. Man macht sich einfach gar keine Sorgen mehr. Milan regelt das schon. Mein Leben als Fußballfan ist sorgloser, seit ich Pro Milan bin. Ich rege mich kaum noch auf, bin tiefenentspannt, Depressionen adé, die Welt ist eine Wolke und ich sitz mittendrauf.
Ich habe das auch früher schon einmal so gehandhabt. Bei Pippo Inzaghi. Auch mit ihm habe ich mich arrangiert. Früher: Verfluchte ich seine Tore. Heute weiß ich: Er ist der Größte. Milan in reinster Ausprägung. Und es geht mir blendend damit, Milan zu mögen: Blickte ich früher voller Abscheu auf den Altersschnitt des Kaders, plane ich heute voller Eifer bereits die nächsten Transfers: Nedved (36) ist im besten Alter; auch Del Piero (34) dürfte langsam die geistige Reife für Milan haben; Panucci (35) und Cannavaro (35) wären ein Traum für hinten; und in drei, vier Jahren, wenn Pippo (35) aufhört, sind hoffentlich auch Raul (31) und Toni (31) nicht mehr zu grün hinter den Ohren.
So schön die Lästerei heute auch sein mag: So qualvoll wird der Frust morgen sein, wenn die Altherrengruppe die jugendlichen Zauberer Europas wieder hohnlächelnd abkocht. Blind ins Leid rennt, wer den AC Mailand abschreibt. Drum ergeht folgender Rat: Fangt noch heute an, Milan zu mögen. Es tut dann schon morgen nicht mehr so weh.