Dienstag, 24. Juni 2008

Also sprach Netzer

Das ist jetzt schon der zweite Tag ohne Fußball. Zwei Tage. Am Stück. Ohne Fußball. Da kann man schon bisschen verrückt werden, finde ich. Muss ja gestattet sein. Weil: Ist mir heut Morgen passiert: Bisschen verkatert mach ich die Bild auf und seh die Kolumne des Netzer. Und dann spricht der plötzlich. Mit mir. Hab ich natürlich geantwortet. Kam aber nix groß bei rum. Nur laues Blabla.

Und dann der Netzer also [unvermittelt]: Jetzt sind wir EM-Favorit.
Darauf ich [bisschen überrascht]: Was? Sag das noch mal!
Und Netzer [sagt das noch mal]: Jetzt sind wir EM-Favorit.
Ich [kopfschüttelnd]: Ach, du spinnst doch!
Netzer [bisschen pikiert]: Klar ist für mich, dass die deutsche Elf Titelansprüche deutlich gemacht hat.
Ich [bisschen belustigt]: Ach Ansprüche, Ansprüche, die haben doch alle Ansprüche jetzt, Günter. Die stehen doch nicht zum Spaß da im Halbfinale. Oder wie. Oder was. Dass du immer so einen Stuss reden musst.
Netzer [sehr pikiert]: Die Art und Weise, wie man Portugal besiegt hat, macht unsere Mannschaft zum Favoriten auf den Titel.
Ich [wie aufgedreht]: Portugal, Portugal, bleib mir bloß weg mit Portugal. Die Türkei steht vor der Tür. Die Türkei, Günter, die Türkei. Was soll ich denn jetzt noch mit nem 3:2 gegen Portugal?
Netzer [gestrig]: Dieses 3:2 hat einen sehr hohen Wert, jeder Spieler hat sich Anerkennung erworben. Wichtig ist, dass die taktischen Anforderungen gegen Portugal mit Bravour gelöst wurden. Das gibt große Sicherheit und Selbstvertrauen.
Ich [Kroatien gebrandmarkt]: Und jetzt denken die wieder, das läuft alles von alleine. Und am Ende läuft keiner und gar nichts.
Netzer [alarmiert]: Für das Spiel gegen die Türkei wird entscheidend sein, von der ersten Minute an mit Elan, Schwung und Dynamik ins Spiel zu gehen.
Ich [genervt]: Sag ich doch die ganze Zeit.
Netzer [Phrase dreschend]: Das wird kein Selbstgänger.
Ich [sehr genervt]: Mei-ne Re-de, Günter!
Netzer [drohend]: Aber den Spielern muss auch klar sein: Eine Niederlage gegen die Türkei wäre nur schwer zu erklären. Deshalb ist absolute Professionalität gefragt.
Ich [superbrutal genervt]: Und ne hohe Führung wär auch nicht schlecht. So drei Tore oder so. Sonst biegen die das kurz vor Schluss wieder um.
Netzer [lobend]: Es ist das höchste Zeichen von Charakter und Moral, drei Spiele in Folge umzubiegen. Und ich glaube nicht, dass das vorbei ist.
Ich [auf der Stelle tretend]: Ja sag ich doch, deswegen gleich: hoch führen. Und: nicht zu leicht nehmen.
Netzer [nachplappernd]: Nein, es wird ein hartes Stück Arbeit, diese Mannschaft zu besiegen.
Ich [zynisch]: Aber was bringt's. Im Finale wartet Russland und haut uns fünf Dinger rein.
Netzer [wieder da]: Russland ist die positivste Überraschung dieser EM.
Ich [immer noch zynisch]: Günter, was ist denn daran bitte positiv, wenn die uns fünf Dinger rein tun? Die werden uns überrollen, Günter, ü-ber-rol-len!
Netzer [strahlend]: Das ist Fußball in unglaublichem Eil-Tempo.
Ich [jetzt: matt]: Und dieser Sturm. Arschawin, Pawljutschenko, mir wird jetzt schon ganz schlecht.
Netzer [elderstatesmannisch]: Der Super-Star ist der Trainer Guus Hiddink.
Ich [ganz matt]: Ach Hiddink, du immer mit deinem Hiddink. Der wird die Tore ja sicher nicht selbst machen.
Netzer [rumkumpelnd]: Er macht kein großes Aufheben, arbeitet im Stillen, das ist einfach großartig. Er hat eine überragende Mannschaft, der die Zukunft gehören könnte.
Ich [ultramatt]: Ich glaub, denen gehört schon die Gegenwart. Da geht nix für uns. Aber ist ja auch Wurst alles jetzt.
Netzer [aufmunternd]: Für Deutschland gilt: Diese Elf hat jetzt schon ihren Weg gefunden.
Ich […]: …
Netzer [hat noch einen]: Ab jetzt ist alles drin – natürlich auch der Titelgewinn.
Ich [die Zeitung weglegend]: Ach, Günther.
Netzer [aus dem Off]: …