Mittwoch, 18. Juni 2008

Mehr Qualität, weniger Gerumpel

Bin sehr gespannt, ob die Holländer ihr 2:0 gegen Rumänien nicht noch sehr bereuen werden, im Halbfinale zum Beispiel, wenn sie noch mal gegen Italien ran müssen, die ja gestern von Hollands Gnaden Zweiter wurden, und die so langsam richtig in Fahrt kommen: Gehaltener Elfer kurz vor Schluss gegen Rumänien, abgefälschter Freistoß und Elfer gegen Frankreich - so kenne und fürchte ich die Italiener. Jürgen Klopp hat gestern direkt nach dem Spiel gesagt, dass die Spanier schon draußen sind, ohne dass sie es wissen, weil ein Viertelfinale gegen Spanien halt wie gemalt ist für die Italiener, aber das weiß natürlich auch Spanien, die Marca nässt sich ja bereits ein und rechnet vor, dass man bei einem Turnier NOCH NIE gegen Italien gewonnen hat und zitiert außerdem Aragones, der Italien nicht unbedingt als Wunschgegner bezeichnet.

Auch Christoph Biermann verwendet bei Spiegel Online die Begriffe Italien und Finale bereits in ein und demselben Satz und spricht von der Mischung aus Qualität und Gerumpel, die die Italiener so gefährlich macht, womit wir auch schon bei der deutschen Elf sind, wobei die momentan weniger Qualität und mehr Gerumpel zeigt als Italien, aber das kann ja noch werden gegen Ronaldo und die Portugiesen. Jogi Löw macht jedenfalls schon mal die Psychokiste auf. In der Pressekonferenz wird er gefragt, ob er sich nach seinem Versprechen, das Viertelfinale zu erreichen, nun auch traue, das Halbfinale zu versprechen, und da guckt der Löw nur kurz, dann lächelt er verschmitzt und dann sagt er kurz und trocken und voller Überzeugung "JA!", und die Journalisten müssen zwar sofort alle schmunzeln, scheinen aber auch gleich ein bisschen entspannter. Nicht so die FAZ, die überlegt nämlich, ob es sich die DFB-Truppe zu bequem gemacht hat in ihrer Wunschwelt: "Die Führung der Nationalelf verbreitete monatelang den Glauben, für alles einen Plan in der Tasche zu haben. Für die Vorbereitung. Für die Fitness. Für das Turnier. Für die Spiele. Für einen Rückstand. Für eine Krisensituationen. Für alles eben." Nur: Wo sind die? Droht jetzt also der Realitätsschock gegen Portugal?

Auch die Süddeutsche ist skeptisch und findet, dass Joachim Löw gar nicht mehr der nette Herr Löw ist, der immer mit Puls 60 am Spielfeldrand steht. Und dann überlegen die tatsächlich auch das mit der Wunschwelt: "Auf einmal erscheint Joachim Löw wie eine Lifestyle-Inszenierung und seine Mannschaft wie eine auf hip und lässig getunte Künstlertruppe, die weit entrückt ist von den wirklichen Anforderungen auf dem Rasen." Und da mach ich mir langsam Sorgen, ob da was dran ist. Aber es gibt ja auch knallharte Indizien dafür, dass das was wird gegen Portugal.

Den Siegerblick von Michael Ballack zum Beispiel, den die Bild heute genauestens analysiert. Der bringt uns todsicher ins Halbfinale. Muss man sich ja nur mal anschauen, wie der guckt, der Michael. Und dann der Lehmann. Der hat ja wieder einen Spickzettel in der Tasche, falls es zum Elfmeterschießen kommt. Das jetzt schon zu sagen, ist reinste Psychologie. Da können die Portugiesen noch so wirbeln und dribbeln. Außerdem spielt Schweinsteiger wieder, und der hat Portugal ja damals schon bei der WM im Alleingang erlegt, und selbst der Kaiser hat ja gesagt, dass wir einfach nur so spielen sollen, wie damals im Spiel um Platz drei, und dann wird alles gut, und das sieht auch der Tagesspiegel so und schreibt deshalb was von "Schweinsteiger als Portugal-Schreck", und ich denke, dass die Portugiesen die Hosen jetzt schon fast so voll haben, wie die Spanier wegen Italien.

Und außerdem spielt Arne Friedrich. Gegen Cristiano Ronaldo. Und nicht nur die von 11Freunde wissen, dass diese EM zweifellos die Arne-Friedrich-Festspiele sind, denn gerade durch seine beschränkten Möglichkeiten und die daraus folgende Beschränkung auf seine Stärken, ist Arne Friedrich so wichtig, wenn es gegen Ronaldo und Co geht. Und wenn ich jetzt noch weiter schreibe, dann glaub ich das fast selbst.