Vor der WM 2006 hat Christof Kneer mal einen schönen Text in der Süddeutschen Zeitung geschrieben. Es ging um Arne Friedrich, und das Arne-Friedrich-Bashing war damals ja gerade sehr in Mode, weil der hölzerne Arne ja nicht so gut in das Klinsmannsche Hurra-Fußball-Konzept passte und man sich immer ein bisschen Sorgen machen musste, wenn Arne Friedrich die Mittellinie überquerte, denn das brachte ja nie was ein außer einem Ballverlust, und daher wurde Arne Friedrich immer ein bisschen verkannt und verhöhnt, weil das zuverlässige Abräumen ja niemanden so richtig gekickt hat, das war verpönt und gestrig, und Arne Friedrich war das Sinnbild dafür. Christof Kneers Text gipfelte dann in der entrüsteten Behauptung: "Niemand nennt Arne Friedrich Power-Arnie", und das war damals natürlich richtig, etwas so Verrücktes hat ja wirklich niemand gesagt, aber seit gestern gilt das nicht mehr, denn zumindest ich nenne Arne Friedrich jetzt nur noch Power-Arnie.
Während des Spiels hab ich mir oft vorgestellt, wie das sein muss:
Da bist du Cristiano Ronaldo, der definitiv beste Fußballer der Welt, und du spielst für Portugal, das mutmaßlich beste Team der EM, und dann spielst du gegen Rumpel-Deutschland, und die haben Arne Friedrich dabei und der spielt gegen dich, und du kanntest den ja vorher gar nicht, genauso wie die anderen da im Mittelfeld, Simon Rolfes, Thomas Hitzlsperger, später noch Tim Borowski, und die sind alle zwei Meter groß und stehen dir die ganze Zeit im Weg rum, da ist alles dicht, und du kannst vorne gar nicht so viele Tore schießen, wie die Abwehr hinten kassiert, und irgendwann sind deine Kollegen so verzweifelt, dass sie STÄNDIG aus der zweiten Reihe abziehen, obwohl sie doch wissen, dass das bei dieser EM bisher nicht ein Mal geklappt hat, und plötzlich wird die Zeit knapp, alles ist hektisch, und dann ist es plötzlich aus, 3:2, du bist draußen, und Arne Friedrich hat dich im Griff gehabt und steht jetzt im Halbfinale und dann womöglich im Finale.
Das hab ich mir die ganze Zeit vorgestellt. Arne Friedrich. Ronaldo. Power Arnie. Die Jungs von 11Freunde hatten schon vor ein paar Tagen getitelt, dass jetzt die Arne-Friedrich-Festwochen beginnen, und die hatten natürlich Recht damit, denn Deutschland rumpelte ja wieder ein bisschen und besann sich auf seine Tugenden, und auch für diese Beschränkung auf die Beschränkungen ist Arne Friedrich ein gutes Sinnbild.
Michael Horeni freut sich in der FAZ über eben dieses. Er spricht von der Wiederbelebung der deutschen Stärken, und dem Mut des Bundestrainers und dem neuen taktischen System, und all das nennt er eine Notoperation am offenen Herzen, und dann freut er sich, weil Deutschland nicht mal Rumpelfußball gespielt hat, sondern Überrumpelungsfußball, und das ist ja wirklich ein sehr schönes Wortspielchen. Die neue Taktik des Jürgen Löw wird in der Süddeutschen ebenso bejubelt wie auch die Tatsache, dass er sich kurz vor Schluss eine Kippe angezündet hat da oben in seiner VIP-Box, und dann spricht Jürgen Schmieder von der Initialzündung und natürlich von Ronaldo, der ja bereits nach 15 Minuten genervt abwinkte und diskutierte und angewidert den Kopf schüttelte, weil da alles so eng war mit diesen Friedrich-Rolfes-Hitzlsperger. Bei Spiegel Online wird Christian Gödecke ganz poetisch und überschreibt den Text mit "Und es war Sommer", und damit meint er natürlich 2006 und das Sommermärchen, das jetzt aber vielleicht Rumpelmärchen heißen sollte, und Christoph Biermann analysiert das alles ganz haarklein und haargenau und sagt, warum die Zahlenspielerei zwischen 4-2-3-1 und 4-4-2 so entscheidend war und so radikal und so erfolgreich.
11Freunde hat die 90 Minuten sogar komplett mit Cristiano Ronaldo verbracht, was in zweiter Instanz natürlich auch 90 Minuten mit Power-Arnie waren, denn der war ja immer da, wo Ronaldo war, und das mag der natürlich nicht, und das wissen auch die 11Freunde, und daher wird Power-Arnie in diesem Text auch sehr gelobt, weil er den Ronaldo zwar nicht komplett aus dem Spiel genommen hat, aber doch schon ziemlich doll. Im Ticker hatten die übrigens als Überschrift "Auf Stelzen ins Halbfinale", das ist lustig, aber natürlich noch lange nicht das Ende, das sagt jedenfalls der Kaiser in der Bild, die ja total SCHWEINI-GEIL ist heute, nicht aber der Kaiser, der ist nüchterner und weise und sagt, dass man halt nicht weit kommt, wenn man zu früh zaubert, weil jetzt ist KO-Runde, und das können wir und da haben alle anderen Angst vor, und deshalb ist der Weg ins Finale jetzt auch vorgezeichnet.
Und ganz genau so seh ich das auch.